Oxford war unser erster Stop nach Christchurch auf dem Weg nach Westen. Wir kamen im – bislang einzigen – fiesen Regen dort an und assen pies. Nun kommen wir wieder durch Oxford und stoppen erneut für einen fabelhaften sheffield pie – Ray ist ganz wild drauf. Na gut, wir alle.
Das eigentlich Ziel des Tages ist Kaikoura an der Ostküste, wo wir für den kommenden Morgen eine Wal-Tour gebucht haben, auch wenn 7:15 Uhr Start ungemütlich klang.
Vom Walfang zum Waltourismus – ein schönes Konzept wie so mancherorts auf dieser Welt, wo die Leute mitdenken. Es gibt mir meine manchmal verzagende Hoffnung für die Menschheit zurück, dass uns dieses Mitdenken und Mit-Machen hier in diesem Land ständig begegnet. Denn es führt mir vor Augen: wir Menschen können auch anders, wenn wir es wollen. Wenn Mensch und Natur voneinander profitieren können, dann kommt so etwas raus wie die Südinsel von Neuseeland. Zumindest erscheint es so. Es sind aber auch herzlich wenige Menschen hier – eine Idee zur Zukunft eines von Hominiden geprägten Erdballs, die mir einfach nicht aus dem Kopf will. Weniger Menschen hiesse mehr Ressourcen für uns alle – Mensch und Wald, Fluss und Vogel, Wal und Wiesel. Und das mit aller Technologie, die wir uns ausgedacht haben werden. Schöne neue Welt.
Nichts von Grass-Roots oder alternativem Eco-Tourism, nein, unsere Waltour ist hochprofessionell. Alles läuft perfekt, ist tip-top und formschön, vorgetragen wird mit Humor und Fachwissen und allerlei erklärt auf dem grossen Screen im wackelnden Boot. Mit Lächeln und Charme werden Tüten verteilt und dann gefüllt aus der Kabine getragen. Nur ein Wal lässt sich nicht blicken. Co-Captain Fiona hält mehrfach das Mikrophon unter Wasser und lauscht nach dem Klicken und Knarzen der Pottwale, die wir suchen.
An Stop drei nach einer guten Stunde auf wogender See dann endlich gute Nachrichten: der Wal klackert und dann nicht mehr und dass kann heissen, dass er gleich auftauchen wird, oder eingeschlafen ist, und hoffen wir doch mal das Erste, meint unser junger Infotainer. Er ist schon 5 Monate hier und so ruhige See hätte er noch selten erlebt, wird er später sagen, während die junge Deutsche in der Sitzreihe neben mir schon ganz grün ist, weil einfach nichts mehr in ihrem Magen ist. Auch mir ist nicht nach Bewegen und ich denke, dass sich das Tier doch besser jetzt mal zeigen möge, denn lange habe auch ich keinen Spass mehr. Fiona und Ray stehen draußen an der Reling und sind auch die ersten, die den blow sehen. Tatsächlich, die kleine, dunkle Fläche da hinten muss wohl der Wal sein. Gut und richtig, dass man hier Abstand hält und den Tieren ihre Ruhe lässt. Das bedeutet aber auch, dass selbst mit meinem Tele-Objektiv die Schwanzflosse des Pottwals nur einen kleinen Fleck im Bild hergibt. Tröstlich, dass unser Geld wenigstens hilft, den Tieren einen Lebensraum neben uns Menschen zu sichern, auch wenn wir nicht viel Wal gesehen haben. Zumindest zeigte sich dann nochmal einer, an dem waren wir fast so nah dran wie am ersten. Die Albatrosse aber waren ziemlich toll, und da kann man ja keinen Abstand halten, wenn sie zum Boot geflogen kommen.
Wieder an Land Kaffee im Cafe am Hafen des hübschen Städtchens und dann zur Spitze der Halbinsel – unser Glück versuchen, ob wir Robben sehen. Wir klettern über spitzen Stein und waten durch Meerwasser, und kommen einer kleinen Gruppe Robben recht nahe. Später laufen wir noch etwas weiter die Küste entlang und da liegen dann auf einmal hunderte – ziemlich faule Truppe, die alle am Strand rumgammeln, bis auf die Jungen, die rumdopsen und nerven, und plötzlich denkt man wieder an die eigene Familie.
Wir fahren weiter wieder Richtung Westküste, weil, nun ja, da soll es so schön sein, sagt man, und fanden wir ja auch, als wir da waren und den Teil im Norden wollen wir dann auch noch…
„Das Land der langen weissen Wolke“ heist Neuseeland auf Maori, weil eben am Gebirge der Westküste die Wolken hängen, und diesmal bekommen wir das auch mit. Wir merken, wie viel Glück wir bisher mit dem Wetter hatten. Danke an da oben.
An einem Strand soll man Jade finden können und wir suchen nach allem Gestein, das ein wenig grün aussieht und die ganze Familie hat Spass so allein am Strand. Die steigende Flut und die starken Wellen müssen dabei im Blick gehalten werden; einer hält Ausschau und warnt vor „Wasser!“ – wir rennen flink davon und zurück und sammeln alles und nichts, was wir so finden können.
Die berühmten Pancake Rocks hingegen kann man nicht übersehen und wir geniessen wieder einen familien- und grösstenteils wieder rollstuhlgerechten 30 min Walk. Herrje, ist das eindrucksvoll. Gewaltige Wasserwellen rauschen durch die Felsen und würden jedes Boot oder jeden Menschen zerschmettern, der das Pech hätte darin zu landen. Fiona und Ray sehen in dem reissenden Schlund Charybdis aus der Odysseus Sage.
Gegen späten Nachmittag treffen wir in unserem Stay bei Westport ein und gehen erst einmal zum Strand, was keine zwei Minuten dauert. Auf dem Strand zum Wasser dauert es allerdings mindestens genauso lang – es ist wohl der weiteste Strand, auf dem wir je standen. Die Vollmondtage bescheren uns extreme Tiden- die uns an den nächsten Tagen immer wieder mit weitläufigen Stränden beschenken werden. Bis auf einen Mann mit Hund sind es wieder nur unsere eigenen Fussspuren im Sand.
Am kommenden Morgen brechen wir auf, diesmal ist das Meer sicher 50 Meter näher gekommen, als wir dem Strand Lebewohl sagen. Eine kurze Fahrt bringt uns erneut zu einer Robben-Kolonie, die ebenso faul herumliegen wie ihre Kollegen an der Ostküste – unbeeindruckt von den ungestümen Wellen, die sich an den Felsen abarbeiten.
Heute soll es zum Abel Tasman National Park gehen, wo wir zur Ruhe kommen möchten – wir haben vier Übernachtungen gebucht. Auf dem Weg dorthin sind die Berge wieder entzückend und wir stoppen an einem der vielen Flüsse, wo früher Gold geschürft wurde. Ich lasse mich überzeugen, über eine schwingende Brücke zu laufen und sogar dafür zu bezahlen. Auf der anderen Seite angekommen führt ein kleiner Weg zu einer der Schürf-Stellen, und Tatsache, da glitzert der Sand. Wir versuchen die Fliegenschiss-großen Goldplättchen mit den Fingern aus dem Gebirgsbach zu fischen und gehen mit der stolzen Ausbeute von ganzen zwei Plättchen zufrieden weiter. Ja, wir haben Gold gefunden! Nein, es wird nicht für unsere Reisekosten reichen, nicht mal für den Schokoriegel, den Papa und Ray sich gönnen, nachdem die Brücke ein zweites Mal bezwungen worden ist. Dennoch lecker.
t.